Was genau kommt dir in den Sinn, wenn von Weihnachtsstimmung die Rede ist? Vielleicht denkst du an Kerzenschein, Gemütlichkeit, kuschelige Wollsocken und Kekse. Wir auch. Aber das war nicht immer so. Denn es ist gar nicht so lange her, da war die Zeit zwischen den Jahren, genauer gesagt die Tage zwischen der Wintersonnenwende und dem Dreikönigtag, etwas unheimlich. Allerlei dunkle Gestalten würden draußen umgehen, raunten sich die Leute zu. Kreaturen, die nicht von dieser Welt seien und allerlei Schabernack im Kopf hätten. Warum genau unsere Vorfahren glaubten, dass gerade in der Weihnachtszeit nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, lässt sich heute nicht mehr so ganz genau sagen.
Heidnische Bräuche und ein schimpfender Pfarrer
So manch kluger Forscher verweist auf die „toten Tage“ aus jener Zeit, in der die Menschen nach dem Mondkalender lebten und dessen Differenz auf das Sonnenjahr eben elf Tage und zwölf Nächte betrug. In vielen Kulturen galt diese Zeit als sonderbar und die Gesetze der Anderswelt würden auch in der unseren gelten. Und so kam der Glaube auf, dass in diesen zwölf Tagen Tiere sprechen könnten, sich die Ahnen beschwören ließen und allerlei Schutzrituale notwendig seien, um sich das böse Dunkel des Winters vom Hals zu halten. Und so griff man hier auf der Seiser Alm beherzt zu glühender Kohle und Räucherwerk. Auch wenn der Herr Pfarrer ordentlich schimpfte, denn der hätte seine Schäfchen lieber beim Rosenkranzbeten als beim Umgang mit getrockneten Kräutern und Baumharz gesehen. Also machten unsere Vorfahren genau das, was wir Südtiroler heute noch besonders gut können: Wir vereinten das Beste aus unterschiedlichen Welten.
Die zwölf Rauhnächte in Südtirol
Ein Gebet auf den Lippen und das „Rauchpfandl“ in der Hand – so zog man durch Haus und Hof. Auf die glühenden Kohlen streute man, was in den Sommermonaten sorgfältig gesammelt wurde: Schafgarbe, Minze, Beifuß oder Baumharz. Wer mehr Geld im Beutel hatte, gönnte sich ein, zwei Körnchen vom sündteuren Weihrauch. In jede Ecke und jeden Winkel wurde der duftende Rauch geblasen. Immer verbunden mit frommen Wünschen und der Hoffnung, dass die „wilde Jagd“, wie man die gruselige Gesellschaft aus Hexen, Perchten, Raben, Habergeiß und verlorenen Seelen nannte, am 6. Jänner vorbeiziehen möge. Auch heute noch ist der Dreikönigstag der wichtigste Räuchertag in Südtirol. Dass die Waschmaschine stillsteht, versteht sich fast von selbst, schließlich könnte sich eine der dunklen Gestalten ja in den aufgehängten Laken und Unterhosen verheddern. In manchen Häusern ist das „Rachn gian“ immer noch eine ernste Angelegenheit. Vom Thomastag bis zum „Kinigtag“ versammelt man sich für die Zeremonie. Aber bitte schön vor 21 Uhr, sonst wird die Ernte im nächsten Jahr schlecht. Und wehe es fehlt einer! Wer sich vor dem Räuchern drückt, läuft Gefahr ins Unglück zu stürzen. Apropos: Den Kopf über die Räucherpfanne zu halten und einmal tieeef Luft holen soll mehr nutzen als schaden und vor allerlei Krankheiten schützen. Ob man nun ganze dreimal das Haus umrundet, die Räucherpfanne zum Ausglühen unter den Tisch stellt, einen Rosenkranz oder ganze sieben Vaterunser betet, Weihwasser ins Spiel bringt oder es weglässt, ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Wichtig ist nur, in jeder der zwölf Rauhnächte mit derselben Ernsthaftigkeit ans Räucherwerk zu gehen. Schließlich symbolisiert jede Rauhnacht ein Monat des kommenden Jahres. Und das soll schließlich ein gutes werden. Wir beim Zallinger glauben, dass aller guten Dinge drei sind. Wir räuchern am 24. und 31. Dezember und am 6. Jänner. Weil über die Weihnachtsfeiertage müssen wir uns natürlich auch um so nette Gäste wie dich kümmern. Und sollte einem der finsteren Gestalten in den Sinn kommen, um den Zallinger zu schleichen, dann wissen wir schon, wie wir ihn besänftigen. Mit einer ordentlichen Portion Geist aus der Flasche. Doch das ist eigentlich schon wieder eine andere Geschichte.
Jetzt erzähl mal du! Gibt es bei dir daheim einen ähnlichen Brauch? Was kommt in deine Räucherschale? Wir freuen uns, wenn du uns davon erzählst! In einem E-Mail, zum Beispiel.